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Die Draconiden

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Einführung

Den meisten Lesern astronomischer Jahrbücher ist der Meteorstrom der Draconiden als Eintrag in der Oktober-Rubrik bekannt. Doch kaum jemand hat wohl bislang solche Meteore selber beobachtet, denn die Draconiden machen sich ausgesprochen rar. In den meisten Jahren treten sie überhaupt nicht in Erscheinung. Nur wenn ihr Ursprungskomet, 21/P Giacobini-Zinner, in Sonnen- und damit in Erdnähe kommt, sind die Draconiden um den 9. Oktober herum aktiv. Es handelt sich also um einen episodischen Meteorschauer, welcher in den genannten Gunstjahren, wie z.B. 1952, 1985, 1998 oder 2005 durchaus eine ZHR von über 500 erreichen kann. Es handelt sich dabei um langsame (20.4 km/s), gelblich leuchtende und überwiegend lichtschwache Sternschnuppen.
Wie der Name sagt, liegt der Radiant im Sternbild Drache (lat. Draco) *. Dieses ist bei uns zirkumpolar, d.h. es geht niemals unter. Somit können Draconiden - so sie denn auftreten - während der gesamten Nacht beobachtet werden. Solange wird man aber gar nicht ausharren müssen, denn das Maximum dieses Schauers ist sehr kurz und spitz. Wenn es am Taghimmel eintritt, kann man in der Nacht davor oder danach nur sehr wenige Draconiden-Meteore sehen. In der Regel wird man dies verschmerzen können, gibt es doch im Jahreslauf mehrere wesentlich besser zu beobachtende und meist ergiebigere Meteorschauer. Doch keinesfalls möchte man Meteorstürme verpassen, wie sie die Draconiden in den Jahren 1933 und 1946 hervorgebracht haben, als kurzzeitig Fallraten von 10000 Sternschnuppen/Stunde beobachtet wurden. Nach dem heutigen Stand der Meteorforschung sind solche immensen Ausbrüche in der absehbaren Zukunft, d.h. vor dem Jahr 2098, nicht zu erwarten. Nach den Vorhersagen einiger Spezialisten sollten die Draconiden aber am 08.10.2011 gegen 22:00 MESZ eine ZHR von etwa 600 erreichen. Die tatsächliche ZHR fiel mit etwa 260 zwar geringer als erwartet aus, übertraf einen durchschnittlichen Perseiden-Schauer immer noch um etwa das Dreifache.

* Häufig werden die Draconiden auch nach ihrem Ursprungskometen als "Giacobiniden" bezeichnet, was freilich den astronomischen Nomenklaturregeln widerspricht. Die ganz korrekte Bezeichnung lautet "γ-Draconiden", weil der Radiant in der Nähe des Sterns γ-Draconis (Etamin) liegt. Dies dient auch der Unterscheidung von anderen (unbedeutenden) Meteorströmen, deren Radiant ebenfalls im Sternbild Drache liegt.

Geschichte der Draconiden

Am 20.12.1900 entdeckte Michel Giacobini in Nizza einen bis dahin unbekannten Kometen, der sich als kurzperiodisch erwies. Eine genaue Bahnbestimmung war aber erst möglich, als der Schweifstern am 23.10.1913 von Ernst Zinner in Bamberg wiedergefunden wurde. Die Umlaufzeit um die Sonne wurde zu 6 1/2 Jahren bestimmt, und es zeigte sich, dass die Bahn von 21P/Giacobini-Zinner, wie er nun hieß, fortlaufend gravierenden Störungen durch den Planeten Jupiter ausgesetzt ist. Dadurch ändert sich der Abstand der Kometen- zur Erdbahn immer wieder, was sich auch auf die Bahnen der von 21P produzierten Meteoroide auswirkt. Schon bald wurde vermutet, dass letztere einen im Oktober aktiven Meteorschauer hervorbringen könnten. Vom 6. - 9. Oktober 1920 beobachtete der bekannte Meteorastronom William Frederick Denning erstmals einige Meteore, welche diesem Schauer zugeordnet werden konnten. Als der Komet 1926 wieder in Erdnähe gelangte, konnte der Meteorstrom von verschiedenen Beobachtern bestätigt werden; die ZHR betrug 17. Nachdem in den Jahren 1927 bis 1932 überhaupt keine Draconiden beobachtet worden waren, wurde deutlich, dass es sich um einen episodischen Meteorschauer handelt.
Im Jahr 1933 konnte man wieder mit Aktivität rechnen, denn der Komet kreuzte die Erdbahnebene nur 80 Tage, bevor die Erde den Bahnknoten mit der Kometenbahn erreichte. Doch wohl niemand hatte mit dem Feuerwerk gerechnet, welches sich am Abend des 9. Oktober 1933 am Himmel über Europa abspielte. Berichte sprechen davon, dass die Sternschnuppen so dicht wie Schneeflocken fielen. Die ZHR wurde nachträglich zu mindestens 6000, vielleicht auch 10000 bestimmt. Die Erwartungen für die nächste Wiederkehr von Giacobini-Zinner im Jahr 1939 waren hoch - doch es wurden keine Draconiden beobachtet, denn diesmal passierte 21/P die Bahn der Erde 136 Tage bevor diese die Kometenbahn kreuzte.

Nach der Enttäuschung von 1939 richteten sich die Blicke erwartungsvoll auf das Jahr 1946, in dem die Erde wie 1933 die Kometenbahn kurz - nur 15 Tage - nach der Passage des Schweifsterns erreichen würde. Und erneut fielen die Meteore wie Schneeflocken, diesmal vor allem für Beobachter in Nordamerika. Die ZHR lag wiederum bei etwa 10000. Erstmals wurde bei dieser Gelegenheit ein Meteorschauer mit Radarsystemen beobachtet. Man fand u.a. heraus, dass sich durch die große Anzahl an Meteoren für etwa 3 Stunden eine zusätzliche Ionosphäre in 90 km Höhe bildete, also genau dort, wo die meisten Sternschnuppen aufleuchten.
1952 brachte eine zwar beachtlichen, aber im Vergleich zu 1946 sehr moderaten Ausbruch der Draconiden, welcher fast ausschließlich mit Radar beobachtet werden konnte. Die Bahn des Kometen hatte sich durch die Schwerkraftwirkung des Jupiters inzwischen so verändert, dass der Meteorstrom kaum noch in Erdnähe gelangte. Eine weitere Bahnstörung im Jahr 1969 verbesserte die Situation wieder, und 1972 wurden die Draconiden nach langen Jahren wieder aktiv. Dies war vorhergesagt worden und gab Anlass zu einer luftgestützen Beobachtungs-Campagne, welche ernüchternd verlief, da die ZHR nur einen Wert von 5 erreichte. 1981 hatte sich der Orbit des Kometen jedoch erneut geändert, und am 08.10.1985, 27 Tage nachdem 21P die Erdbahn gekreuzt hatte, beobachtete man mit Radar in Japan und in Schweden einen kurzen, aber eindrucksvollen Meteorschauer mit einer ZHR von etwa 500. Die Erdnähe von Giacobini-Zinner im Jahr 1985 wurde auch genutzt, um erstmals einen Kometen mit einer Raumsonde zu besuchen.

Radarecho-Raten der Draconiden in der Nacht 09./10.10.1946
Radarecho-Raten der Draconiden in der Nacht 09./10.10.1946. Quelle: Lovell et al. (1947)

Nach 1985 machten sich die Draconiden wieder rar. Neue Berechnungen weckten dann hohe Erwartungen für 1998, dem Jahr, in dem auch die Serie von großen Leonidenschauern begann. Entsprechend war das wissenschaftliche Interesse an den Draconiden ebenfalls größer denn je. Mit Radarsysteme registrierte man eine ZHR von bis zu 500; in Japan wurde trotz störenden Mondlichts und obwohl die Mehrzahl der Meteore sehr lichtschwach war, visuell eine ZHR von 100 bestimmt.
In den "Leonidenjahren" waren neue Vorhersagemethoden für Meteorströme entwickelt und erfolgreich eingesetzt worden. Und diese Modelle ergaben, dass bei der Wiederkehr des Kometen Giacobini-Zinner im Jahr 2005 allenfalls geringe Draconiden-Aktivität zu erwarten wäre. Doch dann stellte man bei der Auswertung automatischer Radaraufzeichnungen erstaunt fest, dass es am Morgen (Weltzeit) des 08.10.2005 einen beachtlichen Meteorschauer mit einer ZHR um die 150 gegeben hatte; visuelle Beobachtungen in Ostasien ergaben eine ZHR von 40. Die Vorhersage-Modelle mussten einmal mehr überarbeitet werden.

Einige Jahre später waren die führenden Meteorforscher sich einig, dass die Draconiden am 8. Oktober 2011 erneut in Erscheinung treten würden. Doch die Meinungen, wie viele Sternschnuppen zu sehen sein würden, gingen weit auseinander. Die meisten Experten sagten für 20:00 UT (= 22:00 MESZ) eine ZHR von 600, einige sogar von 1000 vorher. Dagegen erwartete Mikhail Maslov nur eine ZHR von 40 - 50, eventuell noch deutlich weniger. Eines war jedoch klar: ganz gleich, was nun passieren sollte, würde dieses Event zur weiteren Verfeinerung der komplizierten Grundlagen von Meteorschauer-Prognosen beitragen. Um nicht von den Unwägbarkeiten des Wetters abhängig zu sein, wurde bereits im Jahr 2010 eine internationale Beobachtungscampagne ins Leben gerufen, in deren Mittelpunkt die Draconiden-Beobachtung von hochfliegenden Düsenjets stand. Sehr interessiert an den Draconiden 2011 war auch die NASA, denn ein großer Meteorschauer kann eine Gefahr für Satelliten bedeuten. Bei einer Geschwindigkeit von 20km/s entfaltet bereits ein sandkorngroßes Teilchen auf Grund seiner kinetischen Energie eine verheerende Wirkung.
Die Draconiden 2011 präsentierten sich als eindrucksvoller Meteorschauer, der genau zum berechneten Zeitpunkt eintraf, aber mit einer ZHR von rund 300 im unteren Bereich der Prognosen blieb. Allerdings gaben einzelne Beobachter auch Werte von über 400 an. Ein zweites, deutlich schwächeres Maximum (ZHR etwa 60) war am gleichen Tag gegen 17:00 UT (= 19:00 MESZ) erwartet worden. Wie sich dann herausstellte, trat dieses Maximum allerdings nicht in Erscheinung; hier lagen alle Prognosen falsch.
Während noch die Daten aus 2011 ausgewertet wurden, bereiteten die Draconiden der Fachwelt eine weitere Überraschung. Zwar war für 2012 eine geringe Aktivität nicht ganz ausgeschlossen worden. Doch niemand hatte erwartet, dass die Draconiden mit einem Meteorsturm (ZHR 9000) aufwarten würden. Dieser beschränkte sich weitgehend auf den Radiobereich, denn die allermeisten Meteoroide waren zu klein, um im visuellen Bereich des Spektrums in Erscheinung zu treten. Dort lag die ZHR nur bei etwa 200.

Als Konsequenz aus dem überraschenden Ausbruch 2012 wurde ein neues verfeinertes Vorhersage-Modell entwickelt, welches an Hand der bei den Draconiden-Schauern bis 2012 bestimmten ZHRs kalibriert wurde. Ein erster Erfolg dieses neuen Ansatzes war, dass die Software einen Ausbruch im Radiobereich im Jahr 1999 modellierte, welcher dann nachträglich tatsächlich in bislang nicht ausgewerteten Daten aus jenem Jahr gefunden wurde.
Der nächste Ausbruch der Draconiden wurde für die Nacht 08./09.10.2018 zwischen 23 und 1 UT erwartet. Erneut waren die Prognosen bezüglich des Zeitpunkts gut, unterschätzten aber zum wiederum die Fallraten. Wesentlich höhere Konzentrationen an Meteoroiden wurden innerhalb und außerhalb der Erdbahn bei den Lagrange-Punkten L1 und L2 erwartet. Die befürchteten Schäden an den dort stationierten Raumsonden traten zum Glück allerdings nicht ein. Eine für den 08.10.2019 vorhergesagte erhöhte Aktivität konnte offenbar nicht nachgewiesen werden.

Der nächste Ausbruch der Draconiden - wiederum ganz überwiegend im Radiobereich - wird am 08.10.2025 gegen 16:15 UT (= 18:15 MESZ) erwartet. Nach einer anderen Arbeit ist bereits am Morgen des 08.10.2025 mit einer erhöhten Aktivität zu rechnen.

2019  2018  2012  2011  2005  1998  1972  1946  1926

Allgemeines

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